Karrieretipps für Introvertierte

Mit den Karrieretipps im Netz ist das so eine Sache – da will dir jemand völlig Fremdes erzählen, was du mit deinem Leben machen sollst. Dabei weiß derjenige doch überhaupt nicht, wo deine Interessen liegen, was du für Fähigkeiten hast und was du in der Welt erreichen willst!

Völlig richtig, sage ich, und darum lautet mein erster Tipp für dich:

Hör nicht auf andere, wenn es darum geht, deinen Traumjob zu finden. Hör auf dich selbst! Wofür brennst du? Worüber kannst du stundenlang reden/dich mit beschäftigen, ohne müde zu werden? Was hast du als Kind geliebt? Finde deine Leidenschaft! DAS ist die Basis, auf der du deine Jobwahl gründen solltest.

Schön und gut, ist aber noch lange keinen Blogpost wert? Auch völlig richtig, und daher möchte ich dir ein paar weitere Karrieretipps für uns stille Menschen an die Hand geben (selbst erprobt), die eine gute Orientierungshilfe für dich sein könnten. Vielleicht geben sie dir auch Aufschluss darüber, warum deine jetzige Karriere dich nicht so erfüllt?

3 ideale Karrierefelder für Introvertierte

1. Start-Ups

Die Start-Up-Welt ist meist klein, familiär und ein perfekter Ort für Kreative. Gerade bei jungen Start-Ups sind die Hierarchien flach, die Gründer gerade mal Anfang 30, und die Größe der Teams sehr überschaubar.

Der Vorteil für Introvertierte: Nach der anfänglichen Kennenlernphase fühlt sich das hier nicht mehr wie Arbeit an. Du bist kreativ unter Freunden tätig, keiner macht den anderen rund und wenn was schief läuft, hängen alle gemeinsam drin.

Das solltest du beachten: Viel Geld verdienst du hier in den seltensten Fällen. Es sei denn, das Unternehmen wächst oder wird sogar von einer größeren Firma aufgekauft. Dann halten allerdings wieder dicke Hierarchieebenen Einzug, das familiäre Feeling geht flöten. Und dann? Zeit für dich, zu gehen.

2.  Wissenschaft & Hochschule

Ich liebe Universitäten! Die geben einem immer so ein erhabenes Gefühl, oder? Das Gefühl, dass man wirklich was Schlaues macht. Wenn du als Introvertierter eine Universitätskarriere anstrebst, hast du im Regelfall auch schon vorher studiert. 

Bonus für Stille: Du kennst den Uni-Betrieb und fühlst dich nicht wie ein fremder Sonderling, wenn du dort anfängst du arbeiten. Auch bist du dort oft für dich, schreibst deine Doktorarbeit in Ruhe und befindest dich mit großer Wahrscheinlichkeit unter gleichgesinnten Introvertierten.

Das solltest du beachten: Wenn du sehr sensibel bist, ist es essentiell für dich, dass du nicht alleine gelassen wirst. Du brauchst am besten eine hilfsbereite Doktormutter/Doktorvater und Kollegen, die auch deine Freunde sind. Denn an der Uni tummeln sich viele sehr intellektuell-Introvertierte, die Empathie nicht unbedingt mit Löffeln gefressen haben, und dementsprechend gutgemeinte Kritik an deiner Forschung etwas barsch äußern könnten.

3. Selbstständigkeit

Seine Zeit selbst einteilen, online von zu Hause aus arbeiten, sich seine Kunden selbst aussuchen … Die Selbstständigkeit ist für Introvertierte eine riesige Spielwiese, auf der ihre Fähigkeiten so richtig zum Tragen kommen. Die Open-Mind-Akademie hat einen interessanten Artikel dazu (nicht nur für Hochsensible spannend).

Leise solo arbeiten: Als Freiberufler kannst du dich in genau dem Bereich selbstständig machen, der deiner Leidenschaft entspricht. Ohne Druck und Stress von oben, kannst du dich voll entfalten, mit deinen Kunden 1-zu-1 arbeiten, um perfekte Ergebnisse zu erzielen.

Das solltest du beachten: Stress und Druck kommen nicht nur von oben – beides kannst du auch wunderbar selbst herstellen. Sorge dafür, dass du dich nicht überforderst. Auch solltest du nicht zu allem, was deine Kunden wollen, ja und Amen sagen. Lass dich nicht unter Wert bezahlen  (hab deine Lebenshaltungskosten im Blick) und mach nichts, wo du nicht hinterstehst.

Karriere für Introvertierte | Still Verwurzelt

 

3 ungeeignete Berufe für Introvertierte

Falls du aktuell in einem der von mir als „ungeeignet“ betitelten Jobs bist – lass ihn dir von mir nicht mies machen. Natürlich kommt es immer auf das individuelle Umfeld an. Wenn dein Job deine Leidenschaft ist und du dich gut fühlst – bleib dabei! Wenn nicht, könnten dir die folgenden Karrieretipps vielleicht Aufschluss über das Warum geben.

1. Lehrkraft an Schulen

Wir Introvertierten beziehen naturgemäß unsere Energie aus der Ruhe – bedeutet, dass du dich erstmal ein bisschen erholen musst, nachdem du sozial aktiv warst. Wenn du dich nun tagtäglich gegen eine Horde pubertierender Jugendlicher durchsetzen musst, nimmt das deinen Energiehaushalt ganz schön in Anspruch. Und du erlangst ein Energiedefizit, dass du auf Dauer kaum ausgleichen kannst. Noch weniger zu empfehlen ist dieses Berufsfeld für Empathen: 30 Kinder, alle unterschiedliche Gefühle und Probleme, die du unterschwellig mitbekommst und leider nicht alle (zumindest ist das nicht dein Job) lösen kannst.

Alternativen: Kindergärtner oder Hochschuldozent

2. 9-to-5 in der großen Firma

Versteh mich nicht falsch – dieses Konzept kann dich vollkommen erfüllen! Sofern du hinter dem Produkt/Ziel deiner Firma stehst und einen netten Spielraum zur freien Entfaltung hast. In vielen großen Firmen ist es nun aber so, dass der Vorgesetzte bestimmt, was du wie genau zu tun hast. Dazu haben wir zurückhaltenden Menschen kaum Chancen, etwas zu verändern, wenn wir nicht „aus uns rausgehen“ wie die extrovertierten Kollegen, und vor der Chefetage haben wir oft eher Angst als alles andere. Ergo: Meistens fühlen wir uns doch irgendwie unwohl und unerfüllt.

Alternativen: Kleine Start-Ups oder Homeoffice/Remote Work

3. Verkäufer in angesagten Fashionstores

Wummernde Bässe, der strenge Geruch neuer Kleidung, haufenweise dicht gedrängte Kunden jeden Tag … kriegst du schon nur vom Lesen Gänsehaut? Dann halte dich dringend fern von Jobs dieser Art. Bei hochsensiblen Introvertierten (einen guten Artikel mit Karrieretipps für Hochsensible findest du auch bei Mein Weg – Dein Weg) sorgt diese Art von externem Input für einen enormen Energieverlust. Aber auch stille Personen, die weniger sensibel sind, brauchen nach einem solchen Tag eine extra Portion Ruhe. Auf Dauer lieber den Extrovertierten überlassen.

Alternativen: Verkäufer in kleinen Stores (Bio oder Fairtrade hilft gegen chemische Gerüche) oder in Bücherläden

Karrieretipps: Diese Fragen solltest du dir bei der Jobwahl stellen

Der Jobmarkt ist unerschöpflich groß! Schau auch mal bei Viversum oder Karriere Einsichten rein für noch mehr Input. Immer noch nix dabei? Diese Fragen helfen dir bei der Entscheidung:

  1. Stehst du 100% hinter dem Produkt/Ziel der Firma?
  2. Wie fühlst du dich, wenn du dir ein Foto der Vorgesetzten anschaust? Alles ältere Männer in Krawatten, die dir alles andere als nahbar wirken? Nicht so gut.
  3. Musst du täglich (auch spontan) sehr viel telefonieren oder jeden Tag mit einer großen Gruppe an Menschen zusammenarbeiten? Gerade wenn du empathisch oder hochsensibel bist, solltest du besser 5x darüber nachdenken, ob du diesen Job wirklich machen willst.
  4. Tust du in deinem auserwählten Beruf etwas, dass deinen Hobbys/Leidenschaften entspricht? Wenn ja, bekommst du auch genügend Freiraum, dich in diesem Bereich kreativ zu entfalten? Ja und ja? Hol dir den Job!
  5. Möchtest du diesen Karrierepfad vor allem einschlagen, weil er dir ein sicheres Einkommen beschert/er die vernünftigste Wahl ist/dein Umfeld den Job gut findet? Ich prophezeie dir, dass du damit auf Dauer nicht glücklich wirst. Gerade für uns Introvertierte darf Stabilität nicht das einzige Kriterium sein.

Hat dir dieser Artikel geholfen? Wenn ja und du jemanden kennst, dem die Karrieretipps genauso helfen könnten, teile ihn gerne. Möchtest du ganz unkompliziert über alle neuen Artikel informiert werden, abonniere gerne den Still Verwurzelt Newsletter.

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4 Kommentare zu „Karrieretipps für Introvertierte“

  1. Danke für die tolle Übersicht. Ich bin introvertiert, hochsensibel und hochsensitiv und Lehrerin für Realschule. Ja, es ist echt nicht leicht und ich muss gut mit meiner Energie haushalten. Und aus dem Beruf aussteigen kommt mir auch immer wieder in den Kopf. Andererseits bietet der Beruf viel Freiheiten, kurze Arbeitszeiten, zumindest wenn man nach ein paar Jahren weiß wie es läuft, und viel freie Zeit. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Introvertierter sehe viel Neues für sich lernen kann, z.B. vor Menschen zu sprechen oder klare Grenzen zu setzen. Es ist zwar keine leichte „Schule“ durch die man da geht, aber es birgt auch viel Lernpotential.

    1. Tausend Dank für dein Feedback! Ich glaube, viele Introvertierte entscheiden sich für den Lehrerberuf, weil es einfach in unserer Natur liegt, Menschen helfen zu wollen und einen positiven Impact auszumachen. Aber wie du schon sagst – es ist nicht immer einfach und man muss sehr aufpassen, dass man nicht untergeht. Andererseits lernt man natürlich viel – auch Grenzen zu überschreiten. Ich bin gespannt, wohin dich dein weiterer Weg führt! 🙂

  2. Der Artikel ist interessant. Lehrer wäre nie mein Beruf.
    Ich arbeite im Büro, unser Team besteht aus 3 Leuten, das reicht. Ich mache die Arbeit gerne, als wir noch vor Ort gearbeitet haben, haben wir uns auch gesehen, und zu erzählen gab‘s immer was.
    In der Riesenrunde (Besprechungen) kriege ich den Mund nicht auf; das ist auch der Grund, warum ich mit den anderen Kollegen nichts zu tun habe, obwohl da auch nette dabei sind.
    Seit Corona arbeite ich von daheim aus – und stelle fest, dass ich das Drumherum im Büro nicht (wirklich) brauche, ein Anruf von der Kollegin reicht völlig. Pause mache ich dann im Kreise meiner Lieben.
    Aber eins hat Homeoffice bei mir bewirkt: man wird menschenscheu.
    Irgendwie habe ich mich dran gewöhnt und damit arrangiert.

    1. Hallo Elisabeth,
      lieben Dank für deinen Kommentar! Ja, ein kleines Team finde ich auch deutlich angenehmer als die große Meetingrunde. Ich habe da auch nie was gesagt. Im kleinen Team kann man schnell ein paar Sachen besprechen und die Dinge danach allein und in Ruhe umsetzen.

      Homeoffice hat absolut seine Vorteile, aber ich sehe das auch – es kann auch dazu führen, dass man sich zuuu sehr einigelt. Wenn man das vermeiden möchte, wäre natürlich eine Kombi idealer oder ein Ausgleich: Nach der Arbeit ein bisschen rausgehen und Leute treffen.

      Vielen lieben Dank für dein Feedback!
      Anja

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