Und? Was machst du so am Wochenende?

Eigentlich eine ganz normale Frage kurz vorm Wochenende. Kein Grund Schnappatmung zu bekommen, betreten zur Seite zu schauen und nervös eine Antwort herauszudrücken. Es sei denn, man hat tatsächlich etwas vor, das man lieber nicht mit anderen teilen möchte. Wie in einen Swingerclub gehen oder eine Überraschungsparty schmeißen für denjenigen, der gerade gefragt hat.

Nein, diese offensichtlichen Gründe meine ich nicht. Und trotzdem kriege ich regelmäßig Schnappatmung bei dieser Frage. Denn ich weiß genau, was mein Gegenüber erwartet …

Erwartete Antworten zum Wochenende

  1. Party, Party, Party
  2. Mit Freunden treffen in diesem gemütlichen kleinen neuen Café in Friedrichshain und danach gemeinsam über den nächsten Flohmarkt schlendern. Abends dann Kino.
  3. Mal wieder so richtig aktiv sein und beim Bouldern/in der Laufgruppe/beim Schwimmen auspowern und danach Sauna & Spa.

Ehrliche (theoretische) Antworten zum Wochenende

  1. Auf der Couch liegen und über den Energiefluss des Lebens philosophieren. Innere Blockaden aufdecken und Meditieren. Ab und zu eine Doku auf Netflix schauen.
  2. Im Bett liegen und planen, wie ich meinen Alltag mehr in Einklang mit Chakren/Energieflüssen/meinem weiblichen Zyklus/den Mondzyklus bringen kann. Ab und zu Netflix und Spazierengehen.
  3. Ein spirituelles Selbsthilfebuch nach dem nächsten einsaugen, danach 2 Stunden intern darüber philosophieren/das Gelernte in Einklang mit meinen Werten bringen. Alternativ mit meinem Partner darüber diskutieren. (Huch, fast vergessen – ab und zu Netflix).

Während mich mein Gegenüber erwartungsvoll anblickt und in meinem Kopf für mich diese Antworten vollkommen akzeptabel und sinnvoll klingen, entscheide ich mich dafür, meinem Gesprächspartner und mir diesen akward moment samt Stirnrunzeln und verwirrendem „Aha … äääh, okay …“ zu ersparen. Ich antworte lieber, was der Wahrheit am nächsten kommt, aber gesellschaftlich breiter akzeptiert ist.

Gesellschaftlich akzeptierte Antworten zum Wochenende

  1. Ach, endlich mal wieder den ganzen Tag Netflix & Chill! (WICHTIG: Betonen, als hätte man sich das jetzt aber auch verdient … ist ja nicht so, als hätte ich diese Antwort die 5 Male davor nicht auch schon gegeben.)
  2. Ich mach mir nen ruhigen mit meinem Freund.
  3. Och, eigentlich nichts Besonderes. Mal gucken, was sich so ergibt. (Achtung: Beachte bei dieser Antwort, dass du dann möglicherweise von deinem Gegenüber für die eigentlich erwarteten Antworten eingespannt wirst – im Zweifel doch lieber 1. oder 2. antworten)

Vielleicht kennst du dieses Verhalten ja selbst auch von dir. Es ist nicht so, dass Ausgehen, Sport machen oder neue Plätze entdecken keinen Spaß machen würde. Aber lieber wohldosiert und zur richtigen Zeit. Mein persönliches Grundbedürfnis – also die Tätigkeit, die ich am meisten brauche, um mich generell wohlzufühlen – besteht darin, mich zurückzuziehen in meine eigenen vier Wände oder wahlweise ein stilles Plätzchen in der Natur. Den Input von außen verringern und mich auf mein Inneres fokussieren. Daraus kann dann wiederum Kreativität entstehen. Und das Wichtigste: Damit tanke ich meine Energie auf!

Was machst du so am Wochenende | Still Verwurzelt

Vielleicht hast du ein ähnliches Grundbedürfnis? Vielleicht hast du wie ich auch eher das Gefühl, dich am Wochenende zurückziehen zu wollen, während viele andere raus in die Welt gehen und aktiv sein möchten? Und vielleicht macht dir das irgendwie ein schlechtes Gewissen oder gibt dir das Gefühl, deine Zeit nicht sinnvoll zu nutzen? Das ist absolut verständlich! Denn unsere Gesellschaft ist eindeutig extrovertiert geprägt. Sie redet uns ein, sei es in Werbekampagnen, auf Instagram, in TV-Serien oder allein durch die zahlreichen Serviceeinrichtungen der Städte wie Restaurants, Wellnesscenter, Sportstudios etc. die aus dem Boden wie Pilze schießen, dass wir immer und ständig rausgehen und unter Menschen sein müssen, um ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen.

Die Welt der Introvertierten

Ja, rausgehen in die Welt ist auch für introvertierte Menschen wichtig! Aber im Unterschied zu extrovertierten Menschen, schöpfen wir daraus nicht unsere Energie zum Auftanken. Extrovertierte brauchen Menschen und Aktivitäten in einem hohen Maß, um zufrieden zu sein, sich stark und voller Energie zu fühlen. Sind sie zu lange an einem Ort eingeigelt oder generell für sich alleine, fühlen sie sich schnell leer und unzufrieden – auch wenn sie hin und wieder ein kleines bisschen Zeit für sich alleine benötigen. 

Bist du introvertiert, ist genau das Gegenteil der Fall: Wir brauchen Zeit für uns oder mit einem engen Vertrauten in einer uns vertrauten Umgebung. Um aufzutanken, zu uns selbst zu kommen und mit neuer frischer Energie durch das Leben zu fließen. 

Für die Balance brauchen auch Introvertierte soziale Kontakte und die Welt – aber sobald sie versuchen, dies zu ihrem Grundzustand zu machen, sind Energieverlust, negative Emotionen und Burnout vorprogrammiert.

Sobald wir das akzeptieren und als eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse ansehen, sind wir schon ein ganzes Stück mehr im Reinen mit uns selbst. Wenn wir verstehen, dass wir als introvertierte Menschen unsere Energie anders zum Fließen bekommen, als die große Mehrheit der Extrovertierten (rund 75 % laut einer Studie), fällt es uns auch gar nicht mehr so schwer, die wahre Antwort auf die Wochenend-Frage zu geben – nämlich, dass wir uns an diesem Wochenende einfach nur Zeit für uns selbst nehmen. Und vielleicht auch das Wochenende darauf. Und das darauf …

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