DAS TELEFON – DER Introhorror unter die Lupe genommen

Es gibt eine Sache, bei der auch dem selbstbewusstesten Introvertierten der Schweiß auf der Stirn steht: beim Gedanken an DAS TELEFON.

Als introvertierter Persönlichkeitstyp telefonierst du einfach nicht gerne. Videocalls müssen auch nicht unbedingt sein, sind vielleicht aber noch einen Tuck besser. Am liebsten würdest du alles, was irgendwie geht, schriftlich regeln. Per Messenger, E-Mail, Brieftaube oder wie auch immer – nur nicht zum Hörer greifen.

Nicht nur ein Klischee – Introvertierte telefonieren nicht gern

Kommt dir das bekannt vor? Dann gehörst du wie ich zum Großteil der Introvertierten, die einfach nicht gerne telefonieren. Auch hier gibt es natürlich Unterschiede. Je introvertierter du bist, desto mehr bevorzugst du i.d.R. die schriftliche Kommunikation. Dann können sogar Telefonate mit den engsten Familienmitgliedern anstrengend für dich sein. Zusätzliche Verstärker wie Hochsensibilität, und Hochempathie oder auch Schüchternheit und soziale Ängste sind da nicht einmal mit eingerechnet.

Es gibt tatsächlich nur wenige Situationen, in denen Introvertierte einem Telefonat den Vorzug geben würden (bestätigt durch eine Umfrage, die ich auf Instagram durchgeführt habe):

  1. Mama ruft an.
  2. Bei einer Handvoll guter Freunde, mit denen man einfach schon immer per Telefon kommuniziert.
  3. Bei super dringenden mega-wichtigen Angelegenheiten, die nicht warten können.

Für mich persönlich gehört auch ein Call mit meinen Coachees dazu. Das mache ich gerne und ist ja auch mein Job. Andersherum weiß ich als sensibler Intro, dass es schwierig ist, sich direkt einer völlig fremden Person anzuvertrauen und sein Herz auszuschütten. Das berücksichtige ich auch in meinem Angebot. Wenn du etwas auf dem Herzen hast, können wir also zunächst ganz easy ein E-Mail-Coaching vereinbaren.

Aber warum ist das mit dem Telefonieren nun eigentlich so? Warum tun sich Intros so schwer damit, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen?

Introversion und Telefon – warum das einfach nicht passt

Introvertierte denken gerne nach, bevor sie reden.

Als Intro bist du zuerst auf dein Innenleben fokussiert. Erst dann gehst du nach außen. Das bedeutet auch, dass du bei Handlungen, Entscheidungen, Antworten etc. zunächst einmal in dich gehst, bevor du dich nach außen orientierst. „Was denke/fühle ich wirklich?“ „Welche Antwort passt am besten?“

Bei Telefonaten wird diese Nachdenkzeit verkürzt, weil dein Gegenüber innerhalb von Sekundenschnelle eine Antwort erwartet. Das setzt dich als Intro unbewusst unter Druck. So lässt du dich häufiger zu spontanen Äußerungen hinreißen, über die du im Nachhinein lieber nochmal nachgedacht hättest.

Mir persönlich passiert es oft, dass ich nach einem Telefonat noch ein paar wichtige Dinge zu sagen habe, die mir während des Telefonats nicht eingefallen sind. Dann schicke ich eine Mail hinterher und letztendlich hätte man das direkt einfach alles per Mail klären können.

Das Telefon | Still Verwurzelt

Je fremder eine Person, desto größer der Energieverlust.

Telefonieren ist eine soziale Interaktion und deshalb sowieso schon mit Energieverlusten verbunden. Je fremder dir dazu eine Person ist, desto anstrengender und energiezehrender ist das Telefonat für dich.

Ich erinnere mich an ein besonders energiezehrendes Telefonat mit einem extrovertierten Redakteur, der immer, wenn ich zwei Sekunden zu lange nachgedacht hatte, ein „HALLOOOO??“ In den Hörer brüllte. Danach war ich den ganzen Tag zu nichts mehr zu gebrauchen.

Die Körpersprache fehlt beim Telefon.

Als Intro bist du ein natürlicher Beobachter. Du lässt andere lieber reden, hörst gerne zu und lässt – meistens unbewusst – die Körpersprache deines Gegenübers in deine Interpretation miteinfließen. Beim Telefonieren hast du nur die Stimme, sodass du deiner natürlichen Beobachtungsgabe etwas beraubt wirst. Du bist quasi gehandicapt.

Bei Videocalls ist es etwas einfacher. Manche Intros bevorzugen deshalb ein Videotelefonat einem reinen Telefonat. Eine Alternative ist das allerdings nur bedingt, siehe nächster Punkt:

Der Fokus ist komplett auf dich gerichtet.

Introvertierte stehen als natürliche Beobachter nicht so gerne im Mittelpunkt wie Extrovertierte. In einem Telefonat gibt es aber nur dich und deinen Gesprächspartner. Du stehst also automatisch im Fokus. Genauso ist das im Videochat der Fall. Dort stehst du sogar noch mehr im Mittelpunkt, weil du dich in der Regel auch selbst sehen kannst. Es gibt nichts, was irgendwie ablenken könnte.

Das ist bei einem natürlichen Treffen unter vier Augen, wo beide Parteien physisch anwesend sind, völlig anders: Hier gibt es eine Umgebung, auf die man sich immer wieder richten kann, wenn man eine Nachdenkpause braucht oder eine Gesprächspause entsteht. Das entspannt und sorgt dafür, dass der Fokus des anderen auch einmal von dir abfällt.

In einem Videocall gibt es das nicht – schaust du plötzlich gedankenverloren in die Gegend, fragt dein Gegenüber, was los ist. Im Telefonat nimmt er sogar nur die Stille wahr und fragt dann erst recht, was los ist.

Spontane Anrufe sind wie ein Eindringen in die Privatsphäre.

Wahrscheinlich kennst du das auch: Du tippst gerade gedankenversunken etwas auf deinem Smartphone und plötzlich klingelt es. Du verfällst in eine Schockstarre und beginnst erst wieder zu atmen, wenn dein Telefon wieder ruhig ist. Ein spontaner Anruf ist für Introvertierte wie ein Eindringen in die Privatsphäre. Viele Intros können nicht sofort umswitchen und aus ihren Gedanken direkt in die soziale Interaktion kommen. Das funktioniert höchstens, wenn Mama anruft.

Eine E-Mail oder Textnachricht hat den Vorteil, dass du nicht so spontan antworten musst. Du kannst erstmal nachdenken, was du sagen möchtest, und dir dabei Zeit lassen.

Telefonieren | Still Verwurzelt

Hat jeder Intro eine Aversion gegen das Telefonieren?

Ich glaube, dass es kaum auch nur einen zurückhaltenden Menschen gibt, der total gerne spontane Anrufe annimmt, am liebsten stundenlang am Telefon Smalltalk hält und Kaltakquise am Hörer zu seinen absoluten Hobbys zählt.

Diese Dinge sind einfach grundsätzlich mit Energieverlust verbunden, da es sich letztendlich um soziale Interaktionen handelt. Davon können Introvertierte nur eine begrenzte Zeit mitnehmen, bevor sie ihre Energien wieder aufladen müssen. Der Grad variiert natürlich von Intro zu Intro.

Trotzdem kannst du auch als Intro ein freundliches Verhältnis zum Telefonieren entwickeln. Einige haben sich dieses Verhältnis antrainiert, weil sie vielleicht jobtechnisch jeden Tag mit Telefonaten zu tun haben. Für andere Introvertierte ist es ganz besonders wichtig, die Dinge so schnell wie möglich geklärt zu haben, weshalb sie dann in vielen Fällen doch das Telefon präferieren.

Fest aber steht: Der Großteil der Introvertierten bevorzugt die schriftliche Art der Kommunikation.

Überlebenstipps für Telefonhasser

Was kannst du also tun, wenn die Welt dich scheinbar unter allen Umständen dazu drängen will, zum Telefonhörer zu greifen?

  • Kommuniziere deine Vorlieben! Die Menschen dürfen ruhig wissen, dass du die schriftliche Kommunikation bevorzugst. Gerade deine Familie und Freunde werden dich dafür nicht verurteilen – im Gegenteil, so lernen sie dich noch besser kennen. Kommuniziere offen, dass du lieber schreibst als telefonierst. Du kannst auch die oben genannten Gründe anführen, wenn du das Gefühl hast, dich erklären zu müssen.
  • Setze bewusst Grenzen! Ein Businesskontakt möchte etwas mit dir besprechen und schlägt dir einen Videocall vor? Bitte ihn, dir kurz per Mail zu schildern, worum es geht, da du gerade sehr beschäftigt bist. Generell kannst du auch ganz direkt schreiben, dass du die schriftliche Kommunikation bevorzugst. Ich handhabe das grundsätzlich bei neuen Businesskontakten so, die mir direkt einen Call vorschlagen. Die Leute fühlen sich davon seltener auf den Schlips getreten als du denkst.
  • Stehe zu deinen Bedürfnissen! Du bist introvertiert und das kannst und sollst du nicht ändern. Als introvertierter Persönlichkeitstyp musst du anders mit deinen Energien umgehen als Extrovertierte (wie genau erfährst du in meinem Gratis-Guide.). Extros können in Telefonaten und Videocalls sogar richtig aufblühen! Bei dir als Intro ist das Gegenteil der Fall. Hier musst du nicht zurückstecken! Hör auf deine Bedürfnisse. Ein schriftlicher Kommunikationsweg ist nicht besser oder schlechter als ein mündlicher – beides hat seine Vor- und Nachteile. Kompromisse sind immer möglich. Du könntest zum Beispiel bei Businesskontakten ein paar Mails zum Kennenlernen austauschen und später einen Call aufsetzen, wenn du die Person schon besser kennst und einschätzen kannst.
Einen super Artikel zum Thema Telefon liefert übrigens auch Jennifer von Wanderlust Introvert. Schau mal rein!

Hat dir der Beitrag gefallen? Dann würde ich mich freuen, wenn du diesen Artikel teilst oder kommentierst. Abonniere auch den Still Verwurzelt Newsletter, damit du keinen Blogartikel mehr verpasst.

Weiterstöbern

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert